„Bildung ist der Schlüssel zur Selbstermächtigung“ – Im Interview mit Matthias Strolz
Im Interview mit Matthias Strolz (Beirat, MEGA Bildungsstiftung).
Warum ist die MEGA Bildungsstiftung gut für Österreich?
Weil die MEGA Bildungsstiftung Innovationsimpulse mit sehr konkreten, beherzten und engagierten Projekten in das Bildungssystem schickt. Eine Stiftung, die konkret ins Tun geht, ist ein Mehrwert für die Republik. Davon bin ich überzeugt! Denn unsere Bildungslandschaft braucht Innovation – das ist offensichtlich.
Was braucht unser Bildungssystem jetzt und in Zukunft?
Die Bildung ist ein sehr komplexes Teilsystem unserer Gesellschaft mit sehr vielen Systemakteuren. Ich wünsche mir mehr Potenzial- und weniger Defizitorientierung sowie mehr Innovationsgeist. Wir müssen diese Inseln des Neuen zusammenschließen, sodass sie zu Inselgruppen werden. Damit kann sich auch jene Schwungmasse entwickeln, die mit ihrem Tun, Denken und Handeln das ganze System ins Tanzen bringt. Das ist nicht einfach, zeigt aber gleichzeitig, dass es tausende Ansatzpunkte gibt.
Wie kann und muss Innovation ins Bildungssystem kommen?
Es gibt viele Varianten. Als Systemiker sage ich, dass Innovation zumeist nicht im Zentrum, sondern an der Peripherie entsteht. Es ist die Aufgabe von Bildungspolitiker_innen, Führungskräften, Schulleitungen usw. die Innovation vom Rand ins Zentrum einzuladen. Das ist eine echte Überwindung, weil das gleichzeitig auch bedeutet, die Irritation einzuladen. Da ist es naheliegend, dass sich manche das nicht antun, weil in ihrem „Garten“ alles still, überschaubar und berechenbar bleiben mögen und die Irritationen lieber woanders wüten und blühen sollen. Doch eine solche Haltung wäre für Menschen mit Führungsverantwortung – in Schulsprache gesagt – „Nichtgenügend“. Also: Nehmen wir Anlauf, überwinden wir uns und gehen wir es an!
Welche Rolle spielt in diesem Prozess die Zivilgesellschaft?
Eine große Rolle! Wir können das Bildungssystem nicht auf grünen Wiesen bauen, sondern müssen immer wieder einen wertschätzenden Umgang mit dem Status quo finden. Gleichzeitig sind wir aufgerufen, alte Zöpfe zu schneiden. Gerade dafür sind Impulse aus der Zivilgesellschaft wichtig. Von dort kommen viele Pionierprojekte. Diese Rolle der Zivilgesellschaft wollen wir auch als MEGA stärken.
Warum funktioniert das individuelle „In-die-Entfaltung-Kommen“ im österreichischen Bildungssystem noch nicht gut genug?
Ich bin davon überzeugt, dass das Leben mit uns Menschen eines meint: Entfaltung. Spanne deine Flügel und flieg! In Österreich haben wir das Problem, dass Bildungschancen strukturell vererbt sind. Leider findet der Diskurs darüber immer noch zu wenig statt. Deswegen muss die Zivilgesellschaft hier einspringen und dabei unterstützen, die strukturellen Rahmenbedingungen für mehr und für faire Bildungschancen zu verbessern.
Stichwort Flügelheben: Wo würdest Du hier in Österreich gerade am liebsten ansetzen?
Bildung ist ein Schlüssel zur Selbstermächtigung. Daher finde ich es großartig, dass sich die MEGA Bildungsstiftung der Chancen-Fairness widmet. Wenn ein Mensch mit seinen Talenten in die Entfaltung kommt, dann wird er immer auch breit soziale Verantwortung übernehmen. Bei MEGA geht es auch um Wirtschaftsbildung. Wirtschaft kann man von links, rechts, oben oder unten sehen, aber Faktum ist, dass Wirtschaft immens wichtig für die Lebensqualität und die persönliche Biographie ist. Wir wollen mündige Menschen, die in ihrer Teilhabe in der Wirtschaft klar Ja und Nein sagen können. Dazu braucht es Know-how und Bewusstsein. Ich freue mich, dass sich die nächste MEGA-Ausschreibung diesem Thema widmet!
Wohin wird sich das Bildungssystem in den nächsten zehn Jahren entwickeln?
Es sind gerade viele Neuerungen in Vorbereitung. Ich wünsche mir, dass diese gut im Klassenzimmer „landen“. Es kommen neue Lehrpläne mit mehr Fokus auf Kompetenzen und Haltungen – weg von der unverbundenen Addition historisch gewachsener Fächer, hin zu sinnvollen fächerübergreifenden Denk- und Handlungszusammenhängen. Es ist erkannt worden, dass wir Optimierungsbedarf an den Übergängen vom Kindergarten in die Volkschule und von der Volkschule in die Sekundarstufe haben. Außerdem wird sich an der Feedbackkultur für Schüler_innen etwas ändern. Ich wünsche mir auch, dass wir in der Lehrer_innenausbildung weitere gute Schritten gehen und dass es zu einer Aufwertung der Elementarpädagogik und des Lehrerberufs kommt.
Was wird die MEGA Bildungsstiftung langfristig bewirken und verändern?
Wir müssen einen klaren Blick bewahren. Der Supertanker Bildungssystem hat ein Budget von neun Milliarden Euro. Doch MEGA hat sehr schnell ihren Platz als Schnellboot im System gefunden. Jetzt geht es darum, neue Beziehungen einzugehen. Als Gründungspartnerin der Co-Stiftung für Wirtschaftsbildung haben wir schon bewiesen, dass wir „heiratsfähig“ sind. Wir sind als Stiftung quasi „polyamourös“. Wir werden über die Jahre Partner_innen versammeln und es wird eine Stärke von MEGA sein, diese Beziehungen gut zu halten und zu gestalten. Wir wollen Brückenbauerin, Verbinderin und Umsetzerin sein. Wir sind rollenflexibel, aber immer dem Ziel verpflichtet, unserer Republik Innovationsimpulse zu stiften.
*Das Interview ist im Rahmen des MEGA Meilensteins mit Matthias Strolz entstanden.