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Warum Wachstum? – Im Interview mit Jakob Detering

Wer bist du?

Die meisten kennen mich wahrscheinlich als Geschäftsführer des Social Impact Award (SIA). Der SIA ist inzwischen eine der weltweit größten Communities frühphasiger Sozialunternehmer*innen und hilft jährlich tausenden jungen Menschen in Europa, Asien und Afrika dabei, eigene Ideen in konkrete Projekte und Unternehmungen umzusetzen. Zum Jahresende 2021 habe ich die Geschäftsführung des SIA abgegeben, unterstütze das Team aber weiterhin als Hauptgesellschafter auf strategischer Ebene.

Außerdem bin ich selbst Sozialunternehmer, unterrichte an der Uni, begleite und berate NPOs und Sozialunternehmen aus aller Welt und bin oft als Speaker auf Konferenzen und Events. Privat lebe ich seit vielen Jahren in Wien und bin ein leidenschaftlicher Hobbyfußballer.

Wo bist du gerade? 

Ihr erwischt mich gerade in Tiflis, Georgien, die Heimatstadt meiner Verlobten und eine meiner Lieblingsstädte. Allerdings lebe ich dieser Tage in Selbstisolation, nachdem ich mich hier letzte Woche mit Corona infiziert habe – zum Glück ein milder Verlauf, ich bin bereits wieder fit.

Was machst du gerade?

Nach gut elf Jahren intensiver unternehmerischer Arbeit mache ich, wie gesagt, seit Jahresbeginn ein Sabbatical. Als jemand, der es eigentlich gewohnt ist, ständig im Tun zu sein, ist das eine ganz neue Erfahrung. Bisher genieße ich es sehr. Bald wird es aber sicher wieder in den Fingern kitzeln und ich werde mich auf die Suche nach neuen Herausforderungen machen.

Hat das was du gerade tust mit dem Thema “Wachstum” zu tun? Wenn ja, inwiefern?

Ganz unbedingt! Das mag vielleicht widersprüchlich klingen, weil ich ja gerade massiv Tempo rausgenommen habe und eine Pause machen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass solche ruhigeren Phasen essentiell für gesundes Wachstum sind. Ich nutze diese Zeit, um über all die Begegnungen und Ereignisse der vergangenen Jahre zu reflektieren. Dafür hilft die Entschleunigung und der Abstand vom täglichen Tun sehr. Ich bin mir sicher, dass ich damit auch die Basis für zukünftiges Wachstum legen – sowohl für meine persönliche Entwicklung als auch für die Organisationen, in denen ich zukünftig tätig sein werde

Wann wächst du am besten?

Ich wachse dann am besten, wenn ich mir über das Wo, das Warum und das Womit des Wachstums im Klaren bin.

Zunächst zum „Wo“: Man kann – egal ob als Individuum oder als Organisation –nicht gleichzeitig in alle Richtungen wachsen. Mir hilft es deshalb, zunächst zu klären, in welchen Zielgrößen ich eigentlich wachsen möchte und welche ich eher hinten anstelle. Wir haben zum Beispiel bei SIA über die Jahre mal auf qualitatives Wachstum abgezielt (z.B. die Qualität unserer Mentoringprogramme), in anderen Jahren allerdings quantitatives Wachstum vorgezogen (z.B. die Zahl der Länder, in denen wir aktiv sind). Beides gleichzeitig zu forcieren wäre schwierig gewesen. Je klarer wir uns über diese Priorisierung waren, umso besser ist uns das Wachstum dann auch gelungen.

Damit verbunden ist natürlich die Frage des „Warum“. Was ist eigentliche meine Motivation, in einer bestimmten Dimension zu wachsen? Was will ich erreichen? Und warum ist das gerade wichtiger als das Wachsen in einer anderen Dimension? Das ist nicht nur strategisch wichtig, sondern hat mir auch immer emotional sehr geholfen, Gegenwind auszuhalten und Widerstände zu überwinden, die dem Wachsen im Weg standen.

Und zu guter Letzt hängt gutes Wachstum natürlich davon ab, wer einen bei diesem Wachstum begleitet – sei es das Team oder Geschäftspartner, aber auch Freunde und Familie. Ich hatte da bisher immer großes Glück und ein sehr wachstumsförderndes Umfeld.

Was für Schlussfolgerungen ziehst du daraus für Organisationen?

Organisationen und ihre Führung sollten sich stets im Klaren sein, in welchen Zielgrößen sie wachsen wollen und warum. Diese Priorisierung, eingebettet in eine strategische Vision, hilft bei der operativen Entscheidungsfindung und wirkt motivierend aufs Team. Diese Klarheit erreicht man übrigens immer dann am besten, wenn man sich bewusst entscheidet, in welchen Bereichen man nicht wachsen will. Das darf auch mal weh tun.

Was bedeutet überhaupt Wachstum im NGO/NPO/Social Business Bereich?

Im Großen und Ganzen sehe ich hier keine großen Unterschiede zu profitorientierten Unternehmen. Selbstverständlich sollten bei der Priorisierung langfristig die wirkungsorientierten Ziele immer bevorzugt werden. Allerdings kann kurzfristig ökonomisches Wachstum wichtiger sein, zum Beispiel um Liquidität zu sichern oder die Finanzierung zukünftiger wirkungsorientierter Maßnahmen aufzustellen.

Muss man wachsen?

Das kommt darauf an, wie man Wachstum versteht. Ich halte nichts davon, den Erfolg einer Organisation allein an ihrer Skalierung und Reichweite zu messen. Erstens kann unter der Fokussierung auf Quantität die Qualität leiden, teilweise mit dramatischen Auswirkungen auf die eigene Zielgruppe. Zweitens ist auch nicht jede(r) Sozialunternehmer*in fähig oder willig, dynamische Skalierungsprozesse zu managen. Das sollte man akzeptieren und sich auch am Wirken im vermeintlich Kleinen erfreuen.

Wenn man Wachstum aber ganzheitlicher versteht, also auch persönliches Wachsen und organisationelles Lernen miteinbezieht, dann finde ich schon, dass es der Anspruch einer jeden Organisation und einer jeden Führungsperson sein sollte, nicht zu stagnieren, sondern vielmehr wissbegierig, lernwillig und mit Lust aufs Unbekannte zu wachsen.

Wann siehst du, ob eine Organisation bereit ist zu wachsen? 

Eine Organisation – insbesondere eine wirkungsorientierte – ist dann bereit zu wachsen, wenn sie resilient ist – und zwar in drei Dimensionen. Erstens braucht sie ein resilientes Wirkungsmodell, d.h. die Organisation muss ein tiefes Verständnis der eigenen Zielgruppe entwickelt haben und das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistungen mit dieser Zielgruppe erfolgreich getestet haben. Das klingt erstmal banal, wird aber leider gerade im sozialunternehmerischen Bereich noch viel zu selten praktiziert. Wer kein verifiziertes und damit resilientes Wirkungsmodell hat, wird schnell merken, dass nicht der Impact wächst, sondern die Probleme.

Zweitens braucht es ein resilientes Geschäftsmodell. Entweder indem die Produkte selbst die nötigen Einnahmen lukrieren oder weil es verlässliche andere Einnahmequellen gibt – z.B. philanthropisches Kapital, Förderungen oder Spenden. Wachstum kostet fast immer Geld, also braucht es hierfür einen soliden Plan.

Drittens braucht es eine hohe Resilienz im Team, gerade auf Führungsebene. Wachstumsprozesse sind immer komplex und herausfordernd. Da braucht es emotionale Stabilität, ein unterstützendes Umfeld und ein klares Verständnis, dass man einen Marathon läuft, keinen Sprint. Sonst ist man leider ganz schnell im Burnout.

Wie geht man als Organisation eine Wachstumsphase an?

Mit den oben beschriebenen Fragen nach dem Wo, Warum und Womit konnte ich hoffentlich schon ein gutes erstes Framework skizzieren. Hinzufügen würde ich vielleicht noch, dass Wachstumsprozesse aus meiner Erfahrung heraus meist dann zum Scheitern verurteilt sind, wenn sie alleine top-down vorgegeben werden. Beziehe dein Team, aber auch Finanzierungs- und Geschäftspartner sowie Kunden, etc. im gesamten Prozess mit ein. Das mag zwar hier und da länger dauern und mühsamer sein, aber das Ergebnis ist in der Regel besser und alle ziehen an einem Strang.

Was gibt es für Strickfallen?

Falsche Priorisierung, mangelnde Finanzierung, kein ausgereiftes Wirkungsmodell – die Liste an möglichen Strickfallen ist lang. En spezifisches Detail, dass ich vielleicht herausheben möchte: Wir haben beim Social Impact Award gemeinsam mit der WU Wien in den letzten Jahren viel zur mentalen Gesundheit von Sozialunternehmer*innen in Wachstumsprozessen geforscht. Dabei stellte sich heraus, dass das Burnout-Risiko in dem Moment signifikant steigt, wenn ein Investor an Board kommt. Ich will damit in keinster Weise von Investoren abraten, sie können oft gerade in dynamischen Wachstumsprozessen enorm wichtig sein. Aber das erste externe Investment ist eben ein neuralgischer Punkt, der schnell zur Strickfalle werden kann, wenn man nicht aufpasst.

Wozu braucht es Wachstumspläne? Braucht es die überhaupt?

Kurzfristig sollte man schon einen konkreten Plan haben. Wenn wir aber weiter in Zukunft schauen, kann eine zu enge Roadmap Wachstum eher behindern. Es gibt einfach zu viele Unwägbarkeit entlang des Weges. Ich bemühe deshalb gerne die Metapher einer Wanderung im Nebel. Eine Karte mit einer Wegbeschreibung wird hier wenig helfen, im Nebel verläuft man sich. Aber ein Kompass, ausgerichtet nach den langfristigen Wachstumszielen, hilft einem auch bei kurzer Sicht – vor allem dann, wenn man mal die Route ändern muss. 

Wozu brauchts Organisationen (wie z.B. den Social Impact Award oder auch die MEGA) um Organisationen/Initiativen beim Wachsen zu unterstützen?

Wie bereits beschrieben, sind Wachstumsprozesse komplex, unwägbar und damit oft riskant. Gleichzeitig bieten sie ein unglaubliches Wirkungspotential. Dieses Spannungsfeld zwischen Komplexität und Möglichkeit ist für Führungskräfte und Sozialunternehmer*innen alleine oft schwer zu stemmen. Unterstützungsorganisationen wie SIA oder MEGA können deshalb hilfreiche Wegbegleiter sein, die die nötigen Werkzeuge zur Verfügung stellen, beim Vernetzen helfen oder einfach als Reflektions- und Lernraum dienen. Unsere langfristigen Studien beim SIA zeigen eindeutig, dass jene Sozialunternehmen, die an unseren Programmen teilgenommen haben deutlich erfolgreicher und wirkungsvoller sind als jene, die nicht teilgenommen haben.

Was sind 3 Dinge die eine Organisation (die beim Wachsen unterstützt) beachten sollten?

Unterstützende Organisationen wie der SIA sollten ein klares Selbstverständnis haben: Sie sitzen nicht selbst im Fahrersitz und sollten den auch nie anstreben. Vielmehr sollten sie gute Co-Piloten sein, die die Unternehmer*innen und Führungskräfte in ihrem täglichen Tun unterstützen. Diese müssen dann am Ende selbst lenken und Entscheidungen treffen. Eine solche Zurückhaltung kann manchmal frustrierend sein, aber langfristig hat sie eine deutliche bessere Auswirkung auf gesundes und erfolgreiches Wachsen.

Mit welchem Symbol verbindest du Wachstum?

Das erste Bild, das mir in den Sinn kommt, ist ein Baum. Der wächst sehr beständig in den jahreszeitlichen Zyklen, passt sich der Umgebung an und – am wichtigsten! – wächst mit seinen Wurzeln genauso in die Tiefe wie in die Höhe.

Was ist dein persönlicher nächster Wachstumsschritt?

Jetzt lerne ich im Sabbatical erstmal die Entschleunigung. Da wächst hoffentlich die Ruhe im Kopf und vielleicht noch meine Laufkondition vom vielen Joggen. Und dann werde ich mir überlegen, wo ich beruflich den Anker werfe – das wird bestimmt nochmal ein ganz neuer Wachstumsschritt für mich.


Kurzbiographie Jakob Detering:

Jakob Detering ist ein weltweit tätiger Sozialunternehmer, der sich leidenschaftlich für junge Changemaker und Sozialunternehmer*innen auf der ganzen Welt einsetzt. Seit 2015 hat er mit dem Social Impact Award eine der weltweit größten Communities von frühphasigen Sozialunternehmer*innen aufgebaut. Jakob setzte sich dafür ein, jungen Sozialunternehmer*innen in der Gründungs- und Aufbauphase zu helfen und sektorübergreifende Dialoge zum Thema soziales Unternehmertum zu fördern. Zum Jahresende 2021 übergab Jakob Detering die Geschäftsführung des Social Impact Award an Ana Janosev und Jonas Dinger. Als Chairman und Hauptgesellschafter ist er jedoch weiter auf strategischer Ebene für den Social Impact Award aktiv.

Darüber hinaus ist Jakob Universitätsdozent für MBA-Kurse zum Thema Social Entrepreneurship, Mitglied des Vorstands der World Summit Awards und Berater des ersten Impact-Investing-Fonds in Österreich. Er berät auch soziale Unternehmen auf der ganzen Welt zu ihren Herausforderungen in Bezug auf Strategie, Geschäftsmodellierung, Skalierung und Teamentwicklung. Jakob hält regelmäßig Vorträge auf Veranstaltungen und Konferenzen mit den Schwerpunkten soziales Unternehmertum, soziale Innovation und Bildungsthemen.

Bevor er 2015 zum Social Impact Award kam, war Jakob über vier Jahre im Stiftungssektor tätig und finanzierte und beriet Sozialunternehmen in ganz Europa. Er begann seine sozialunternehmerische Karriere als General Manager von „Somaro“, einem in Bukarest ansässigen Sozialunternehmen, das in ganz Rumänien soziale Lebensmittel betreibt, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und Rumänen, die am Rande der Armut leben, Zugang zu preisgünstigen Lebensmitteln zu verschaffen. Jakob hat einen Master in Public Policy und einen Bachelor in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Seit 2013 ist er zudem Global Shaper des World Economic Forum.

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